Buchtipp: Elizabeth Scheu Close Amerikanische Architektin mit Wiener Wurzeln

Elizabeth Scheu Close. Amerikanische Architektin mit Wiener Wurzeln
Judith Eiblmayr
256 Seiten
Deutsch
Verlag Anton Pustet, Salzburg 2025
ISBN 978-3-7025-1187-6
42 Euro

Mit ihrem Lebenswerk trug Elizabeth Close wesentlich zur Einführung der europäischen Moderne im US-amerikanischen Bundesstaat Minnesota bei. 2002 erhielt sie vom American Institute for Architects (AIA) dafür die Minnesota-Goldmedaille – die höchste Auszeichnung, die von der lokalen Niederlassung an eine Einzelperson vergeben wird. In Deutschland und Österreich ist die aus Wien stammende Architektin jedoch kaum bekannt.

Das will die Architekturpublizistin Judith Eiblmayr ändern. In der 2025 veröffentlichten Monografie Elizabeth Scheu Close. Amerikanische Architektin mit Wiener Wurzeln begibt sie sich auf einen sorgfältig recherchierten Streifzug durch das Leben und Wirken von Elizabeth Close – und verwendet dabei den Doppelnamen als künstlerischen Griff, obwohl die Architektin selbst diesen Namen so nicht führte.

Elizabeth Close kam 1912 als Elisabeth Scheu – Tochter einer jüdischen Mutter und eines politisch aktiven Sozialdemokraten – in Wien zur Welt. Ihre Eltern teilten das Interesse an Architektur und Städtebau und so wuchs Elisabeth in einer modernen Villa auf, die sich die beiden 1912/13 von Adolf Loos in Wien hatten errichten lassen. Es war ein offenes Haus, in dem Persönlichkeiten der Wiener Kunst- und Kulturszene, internationale Intellektuelle sowie Architekturinteressierte ein- und ausgingen. Davon zeugt unter anderem das Gästebuch, auf das sich Eiblmayr bezieht. Zudem versammelt sie noch viele weitere Dokumente, Briefe, Zeitungsartikel und Fotografien in ihrer Publikation.

Geprägt von Ideen der Wiener Moderne und des „Roten Wien“, wie die sozialdemokratische Stadtverwaltung der 1920er Jahre bezeichnet wird, ermöglichte das elterliche Netzwerk der jungen Elisabeth Scheu, Anfang der 1930er Jahre in die USA auszuwandern. Dort setzte sie ihr in Wien begonnenes Architekturstudium fort. Während in Österreich die öffentliche Stimmung zunehmend von Antisemitismus geprägt war, traf Scheu in den USA auf ein offenes und progressives Umfeld, wenngleich die Architekturlehre dort weiterhin konservativ und klassizistisch geprägt blieb, wie Eiblmayr bemerkt.

Doch die junge Architektin blieb sozialen und modernen Aspekten des Bauens treu – in einem Land, das durch die sogenannte Great Depression in den 1930er Jahren mit einer schweren Wirtschaftskrise und hohe Arbeitslosenzahlen kämpfte. Während ihrer ersten Anstellungen in Philadelphia und Minneapolis, wohin sie ihrem späteren Ehemann Winston Close 1936 folgte, wirkte sie an Projekten des sozialen Wohnungsbaus mit.

1938 wagte das Paar den Sprung in die Selbstständigkeit und eröffnete im Stadtzentrum von Minneapolis ihr Architekturbüro Close and Scheu Architects (später: Elizabeth and Winston Close Architects und Close Associates), das explizit moderne Architektur anbot. Nach einer kurzen Unterbrechung während des Zweiten Weltkrieges trat Winston Close eine Anstellung an der University of Minnesota an, während Elizabeth Close für die kommenden Jahrzehnte die Leitung des gemeinsamen Büros übernahm.

Und das tat sie mit Erfolg: Bis 1969 wuchs das Projektverzeichnis auf 300 Gebäude an, viele davon private Wohnhäuser. Dabei profitierte das Büro in den Nachkriegsjahren sowohl vom wirtschaftlichen Aufschwung als auch von der staatlich vorangetriebenen Suburbanisierung amerikanischer Städte – auch wenn diese Idee dem sozialen Ansinnen von Elizabeth Close entgegenstand. In den kommenden Jahrzehnten folgten Großaufträge wie das Peavy Technical Center in Chaska, das Freshwater Institute in Minneapolis oder die Campuserweiterung der Minnesota University.

Elizabeth Close folgte konsequent ihrem Weg, setzte sich als Frau in der damals noch stark von Männern dominierten Architekturwelt durch und gilt als Pionierin des zeitgenössischen Wohnungsbaus in Minnesota. 2011 verstarb die Architektin in ihrem 100. Lebensjahr in Minneapolis.